Solidarität statt Verschwörungsmythen

Letzten Montag sammelten sich ca. 430 Menschen, aus dem Querdenken-Spektrum in Achern, um bei einem „Spaziergang“ teilzunehmen. Unangemeldet und geduldet von den Behörden zogen sie entlang der Hauptstraße durch Achern. Zuvor wurde in mehreren Kanälen auf Telegramm mobilisiert. Ein paar  Freunde und ich haben spontan mit Plakaten Stellung bezogen, um den Querdenkern klar zu machen, dass vereinfachte Weltanschauungen nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems sind. Die Stimmung wurde immer angespannter und von Seiten des Spaziergangs wurden uns immer häufiger Beleidigungen entgegengerufen. Als sich die Spaziergänger*innen dann erneut auf dem Marktplatz versammelten, wurden ein Freund und ich, angegriffen.

Als ich und ein Kumpel über den Markplatz ging, wurde ich von hinten getreten, ich war erst einmal verwundert was das gerade war. Als ich den Mann dann darauf ansprach, „was das denn solle“ verschwand er in der Menge und 4 Erwachsene Männer kamen auf mich und meinen Freund zu. Und bedrängten uns. Wir sollen aufhören Fotos von dem Spaziergang zu machen und ganz allgemein sollten wir uns von ihnen fernhalten. Die vier versuchten uns einzuschüchtern und trieben uns über den ganzen Platz. Nur durch Glück ist uns nichts passiert. Aber man muss schon sagen, dass es eine ganz schöne Leistung ist, als „gestandene Männer“ sich so aufzuspielen um zwei Jugendlichen Angst zu machen. Bravo.

Ich war in der letzten Zeit, viel politisch aktiv, aber das mir so etwas in Achern passiert, hätte ich nicht gedacht. Achern war für mich immer ein kleiner heiler Fleck, auf dem nicht alles perfekt war, der aber immer eine gewisse Ruhe Inne hatte. Ich bin hier aufgewachsen, gehe hier zur Schule und mein ganzes soziale Leben findet hier statt. Das mir hier so etwas passieren kann, hat mich erschreckt und macht mich traurig.

Aber auch dieser Vorfall ist keine Ausnahme mehr. Wir haben in den letzten Monaten gesehen, wie sich die Querdenkerszene immer mehr radikalisiert hat. Journalisten werden angegriffen, vor die privaten Häuser von Politikern, wird mit einem fackeltragenden Mob aufmarschiert, um sie einzuschüchtern. Und immer wieder werden Menschen, die nur ihren Job machen, wie Verkäufer*innen im Einzelhandel oder sonst wo bedrängt, obwohl die doch am wenigsten dafür kommen. In Ider-Oberstein erschoss ein Maskenverweigerer sogar einen Mitarbeiter in einer Tankstelle, weil dieser ihn darauf hinwies, er solle seine Maske tragen.

Und jetzt noch ein kleiner Appel an die Querdenker.

Liebe Querdenker und Querdenkerinnen, wenn ich euch so sehe würde ich mir einfach nur wünschen, dass ihr euch wirklich so informiert habt, wie ihr immer sagt, stattdessen tut ihr genau das was ihr uns immer vorwerft, ihr plappert plump das nach was eure Möchtegern Virologen*innen und Möchtegern Widerstandskämpfer*innen fordern. Ihr baut euch, eure eigene Echokammer und merkt dies nicht einmal.

Nur weil eine Person Arzt oder Ärztin ist, heißt das nicht, das sie einfach so ganze Studien widerlegen kann. Oftmals werden hier Statistiken aus dem Zusammenhang gerissen, was dazu führt, dass falsche Schlüsse gezogen werden, so etwas ließe sich auch ganz einfach mit einer eigenen Recherche aufdecken, aber das macht ihr nicht, komisch.

Aber jetzt lasst uns noch über etwas reden, was auch mir und uns allen sehr am Herzen liegt: Freiheit.

Und warum ihr Freiheit einfach nicht versteht. Ja genau, dieses Ding, von dem ihr die ganze Zeit redet. Freiheit heißt nicht einfach, ich kann tun und lassen was ich möchte. Freiheit muss immer für die ganze Gesellschaft verstanden werden. Wenn ich mit meiner „Freiheit“ andere Menschen einschränke, dann ist dies keine Freiheit mehr, sondern wir zu einer Anwendung von Gewalt, ja es wird zur Unterdrückung.

Und ja genau das tut ihr, wenn ihr keine Maske tragt, euch nicht impfen lässt und sogar in Impflagerstationen einbrecht, um Impfstoff auszutauschen. Auf einmal nehmt ihr euch einfach das Recht, in die Freiwillige Entscheidung von Menschen, die sich solidarisch zeigen wollen und der Gesellschaft helfen wollen, einzugreifen. Ja Masken schützen, impfen schütz, ihr könnt dies ruhig ignorieren aber hey, ihr beschränkt damit meine Freiheit, eure Freiheit und die der ganzen Gesellschaft.

Freiheit braucht Grenzen! Nämlich dann, wenn die eigene Freiheit anderen schadet und sie in ihrer Freiheit einschränkt. Wenn sie sich weigern eine Maske zu tragen gefährden sie mich, wenn sie falsche Informationen verbreiten, gefährden sie ihre Mitmenschen. Wenn sie sich nicht impfen lassen, dann schaden sie der Gesellschaft, weil wir bei einer zu niedrigen Impfquote, die Pandemie nie in den Griff bekommen werden. Ich bin nur so frei wie mein/e Nächste/r.

Anstelle solltet ihr:

gegen eine immer mehr angehende Privatisierung des Gesundheitssystem zu kämpfen, etwas das wirklich uns alle betrifft, aber rennt ihr lieber irgendwelchen Verschwörungserzählungen hinterher, die eine vereinfachte Sichtweise auf die Welt haben.

Wenn ihr ein Ende der Pandemie wollt, dann kämpft dafür, dass es endlich eine effektive und solidarische Bekämpfung der Pandemie gibt, kämpft dafür, dass der Impfstoff schneller verteilt wird, dafür, dass er allen Menschen gleich zusteht und ihn nicht die bekommen die ihn sich leisten können, sondern die, die auf ihn am meisten angewiesen sind. Kämpft doch mal dafür das die Patente freigegeben werden. Für so etwas müssen wir kämpfen, in dieser Krise ist Solidarität wichtiger als jemals zuvor.

Aber der Kampf für eine solidarische freie und gerechte Gesellschaft wird nicht nach der Pandemie zu Ende sein, nein, dann müssen wir weiterkämpfen, den mit den Problemen die Corona verursacht hat müssen wir in Zukunft leben.

Solidarity Ortenau, Achern, 27.12.2021

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